Jugend
10.08.2023 Kolumnen, RomanshornAn der diesjährigen 1.-August-Feier in der katholischen Kirche wetterte der Stadtpräsident Roger Martin los: «Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf …»
Ich war perplex, denn wenn es auch so wäre, fände ich es daneben, wenn gerade an solch einer Feier dermassen über unseren Nachwuchs räsoniert würde. Irgendwann ging mir auf: Das muss eine Wiedergabe eines Ausspruchs von vor mindestens 100 Jahren sein. Aber weit gefehlt − es handelte sich um ein Zitat von Sokrates von 400 v. Chr. und sollte eigentlich dazu dienen, uns zu beruhigen.
Die Jugend ist eine wunderbare Zeit, man kann Dinge ausprobieren, Erfahrungen sammeln, ohne sich zu fürchten, weil man noch nicht weiss, was alles sein könnte. Es ist aber auch die Zeit der spürbaren Veränderung − der Ansichten, des Körpers, des Alltags. Nicht alle können damit umgehen, da muss schon mal über die Stränge gehauen werden. Leider vergessen wir oft, dass wir gestern nicht anders waren. Aber Hand aufs Herz: Wie bei allem, sind es einige wenige, die wirklich etwas übertreiben, die grosse Mehrheit wächst doch zu wunderbaren, umsichtigen und verantwortungsbewussten Menschen heran. Das kann nicht von heute auf morgen passieren und ist mit manchem Umweg verbunden.
Warum fällt es uns so schwer, darauf zu vertrauen, dass nicht alles den Bach runtergeht, dass es schon gut kommt? Zum Teil, weil Veränderung meist ängstigt und weil die Kontrolle abgegeben werden muss, bzw. diese von der nächsten Generation übernommen wird. Wer sich nur auf die negativen Aspekte versteift, hat es schwer, sich auf morgen zu freuen.
So will ich noch einen weiteren zitierten Ausspruch von Martin anführen: «Für die Jugend von heute ist die Jugend von gestern verantwortlich.»
Seien wir zuversichtlich!
Es kommt schon gut!
Ingrid Meier