Auf dem Nachttisch von...
18.12.2025 Kolumnen, Uttwil , Salmsach, RomanshornMargrit Stickelberger

«Der wiedergefundene Freund»
Fred Uhlman, Erzählung, Diogenes tb 23101
Wie soll ich den Leser gluschtig machen auf diese Erzählung von Fred Uhlman, ohne den Ausgang gleich zu verraten und damit die Spannung zu lösen?
Und spannend ist die Geschichte von den zwei 16-jährigen Gymnasiasten Hans und Conradin, die eine tiefe Jugendfreundschaft zusammenschweisst.
Wir sind in Stuttgart in den Dreissigerjahren und begleiten die beiden. Es bewegen sie die gleichen Fragen, sie haben die gleichen Zukunftsideale, lieben die gleichen Bücher und beide sammeln alte Münzen. Nach dem Unterricht trennen sie sich lange nicht, begleiten einander bis an die Gartentür von Hans, dem jüdischen Arztsohn, oder an das Schlosstor von Conradin von Hohenfels. Lange bleiben sie da stehen und diskutieren weiter. Sie haben sich viel zu sagen und freuen sich darüber, dass sie sich so gut verstehen und nicht mehr einsam sein müssen in der Klasse.
Langsam schleicht sich aber das Gift der Zeit zwischen sie. Conradin ist oft bei Hans zu Gast, Hans wird zu Conradin nur eingeladen, wenn seine Eltern nicht da sind. Das fällt ihm mit der Zeit auf.
Die Situation verschärft sich. Ein neuer Geschichtslehrer verkündet eine herrliche Zukunft für Deutschland. Einige Schüler machen Hans den Schulalltag schwer und Conradin hilft ihm nicht, diese zum Schweigen zu bringen. Er ist selbst in der falschen Einschätzung der kommenden Zeit gefangen. Hans wird von seinen Eltern nach Amerika geschickt. Conradin schreibt ihm einen warmen Abschiedsbrief, worin für Hans klar wird, wie falsch sein Freund die politische Zukunft des Landes einschätzt. Die Freundschaft zerbricht.
Wie sich die beiden nach dem Krieg wiederfinden, will ich nicht verraten. Es ist unerwartet und unvorstellbar und gibt dem Titel eine besondere Tiefe.
