Namensillusion

  20.01.2022 Kolumnen, Romanshorn, Salmsach

Man hört und liest immer wieder, dass wir froh sein können, in der Schweiz leben zu können. Dem könnte man eigentlich nur beipflichten, würde nicht noch eine Begründung wie «weil wir in einer freiheitlichen Demokratie leben dürfen» nachgeliefert. Ist dem etwa nicht so? Formell sicher, aber informell – und das sind wir – ist dies zunehmend fraglich. Man kann die beste Verfassung, die intelligentesten Gesetze und die praktischsten Verordnungen haben, doch wenn sie nicht eingehalten werden, sind sie zwar schön zu lesen, aber letztendlich nicht von Nutzen.
Und genau diese Tendenz wird je länger, je mehr in unserem Land gelebt. Im Buch der Bücher wird schon festgehalten, «weil die Gesetzlosigkeit überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten». Dabei ist mit Gesetzlosigkeit nicht etwa das Nichtvorhandensein von Gesetzen gemeint, sondern deren Ignoranz. Dafür werden neue Gesetze aufgestellt, Gesetze, die niemand sieht, weil sie nirgends stehen und trotzdem zuerst ganz feinsinnig und mit der Zeit immer stärker und unbarmherziger zur Geltung gebracht werden. Dabei beginnt es meist harmlos mit der Einführung einer bestimmten Ideologie. Danach wird diese Ideologie immer häufiger und breiter in gesellschaftlichen Kontexten gestreut und die Bevölkerung damit sozialisiert. Anfänglich dürfen noch Diskussionen stattfinden, doch mit zunehmender Zeit der Gewöhnung wird die Ideologie zum Dogma erklärt und somit als verbindlich angesehen.

Das heisst eine kleine Minderheit kann die grosse Mehrheit von diesem Zeitpunkt an instrumentalisieren und den Mainstream bilden. Es wird klar definiert und vorgeschrieben, was richtig und was falsch ist. Die Debattenkultur wird zunehmend unterdrückt und durch eine Empörungskultur ersetzt. «Ungehorsame» werden öffentlich als unmoralisch, unmenschlich und unethisch blossgestellt und von der Gesellschaft ausgegrenzt. Wer es noch wagt, sich mit einem solchen Menschen zu zeigen oder Geschäfte zu machen, wird selbst als Persona non grata diffamiert.
Diese Dynamik der Feigheit ist nur deshalb schwer zu durchbrechen, weil sie auf dem Prinzip der vermeintlichen Mehrheit aufbaut. Und die Mehrheit kann doch nicht falsch liegen… Doch ein gutes System bleibt nur gut, wenn die in ihm Lebenden über ihm wachen, sonst bleibt nur die Illusion des Namens.

Daniel Frischknecht


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