Tiere an die Macht

  03.03.2022 Schule&Bildung, Romanshorn, Salmsach

George Orwells «Animal Farm» an der Kanti Romanshorn: Wie die Vision einer besseren Welt durch Tyrannei und Diktatur zunehmend korrumpiert wird, zeigt das ADG Theater (American Drama Group Europe) sehr humoresk anhand der grössten dystopischen Fabel, die bis heute nichts an Relevanz eingebüsst hat.

Ein Gerüst, das Baracken darstellen soll. Arbeiter, die beispielsweise aus Rumänien oder Bulgarien stammen und in Anlehnung an ihre kommunistisch geprägten Vorfahren auf eine bessere Zukunft hoffen. Mit diesem politischen Bezug im Prolog eröffnet die American Drama Group in der Aula der Kanti Romanshorn George Orwells Erzählung «Animal Farm», die als Satire auf die Russische Revolution verstanden werden kann. Satirisch ist sie besonders, weil die Tiere der Manor Farm gegen die sie unterdr ückenden und ausbeutenden Menschen den Aufstand anzetteln und im Kampf für Freiheit und Gleichheit denselben menschlichen Schwächen unterliegen, welche die Revolution im Keim ersticken. Doch der Gedanke an eine selbstbestimmte Zukunft, in der alle die gleichen Pflichten und Rechte haben, treibt sie zunächst hoffnungsvoll an.

Tiere rebellieren
Old Major, ein unter den Tieren angesehener Eber, verankert die Vision im gemeinsamen Lied «Tiere Englands» und ruft zu Geschlossenheit auf. Die Tiere rebellieren, treiben den Farmbesitzer in die Flucht, benennen die Manor Farm in Animal Farm um. Doch bereits kurz nach der Revolution übernehmen die schlauen Schweine die Vormachtstellung und bauen diese Schritt für Schritt aus. Zum Schluss kristallisiert sich Napoleon, der die dressierte Hundemeute auf seinen «schweinischen» Kontrahenten Schneeball hetzt, als alleiniger Herrscher einer Republik heraus, während die anderen Tiere zum Teil unermüdlich arbeiten und dennoch Hunger leiden.

Traum allein reicht nicht
Diesen schleichenden Prozess von der Revolution zur Diktatur, in der Freiheitsrechte zunehmend verdeckt werden, haben die fünf Schauspieler des ADG Theaters sehr eindrücklich gestaltet. Sie haben sich tierisches Gebaren und animalische Laute perfekt einverleibt und gar übertrieben eingesetzt, sodass im stetigen Rollenwechsel kaum mehr zwischen Mensch und Tier, zwischen Herrschern und Beherrschten unterschieden werden konnte. Auch das minimalistische Bühnenbild in Form eines Gerüsts liess sich funktional (von einer Baracke zur Farm, zur Windmühle) umbauen, um den sich stets wiederholenden Prozess zu verdeutlichen. Deutlich ist auch der Appell, den die Darsteller im Epilog an die begeisterten Zuschauerinnen und Zuschauer gerichtet haben: Man möge sich der unangenehmen Wahrheit stellen, dass der Traum von einer neuen Welt allein nicht ausreicht, um diese zu verbessern; dass aber genau eine solche Vision – und sicherlich auch konsequentes Handeln – nötig ist, um Machthunger und Populismus zu begegnen.

Video zur «Animal Farm»

Mélanie Deiss


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