Definition gemäss Duden: so (beschaffen, geartet), wie es sich die allgemeine Meinung als das Übliche, Richtige vorstellt.
Normal! Kaum ein Wort ist in den letzten zwei Jahren so oft benutzt worden, um zu verwirren oder entwirren. Denn, wie die Definition schon sagt, handelt es sich um die allgemeine Meinung, und die war alles andere als geschlossen. Und auch jetzt, wo die sogenannte «normale Lage» herrschen soll, ist die Normalität immer noch ein Luftschloss.

Angesichts des Jammers in der Welt verblasst die Bedeutung dieses Wortes. Der Krieg in der Ukraine, Überschwemmungen in Australien, Angriffe in Mosambik, Tsunamis, Erdbeben, Vulkanausbrüche … täglich werden Menschen aus ihrem normalen Leben gerissen und müssen um ihre Existenz bangen.
Aber es hilft nichts, zu klagen und zu stöhnen. Damit wird nichts bewegt, ausser dass das Selbstmitleid genährt wird. Viel schöner sind doch die täglichen Kleinigkeiten, die Freude machen. Mit offenen Augen sehen wir eine kleine Knospe, die sich tapfer durch den Schnee kämpft. Wir treffen einen lieben Menschen, den wir schon lange nicht mehr gesehen haben, wir hören Musik und Kinderlachen aus einem Fenster, wir riechen den delikaten Duft von einem feinen Essen oder einer Blume. Wir fassen uns an den Händen und spüren Wärme und Nähe. Dies alles, wenn wir es zulassen.

Sie denken jetzt, ja, in der Schweiz ist ja alles schön und gut, da kann man schnell von Frieden, Freude, Eierkuchen reden. Aber leider ist es nicht so. Auch in der Schweiz gibt es bitterarme Menschen, gibt es Unwetterkatastrophen riesigen Ausmasses, haben wir Mord und Totschlag. Es ist an uns, was wir als normal betrachten. Wenn wir uns gegenseitig achten und helfen, machen wir die Welt ein wenig besser.

Ich hatte einmal ein Poesiealbum, heute heisst es Freundschaftsbuch, in dem stand: Wenn jeder Mensch nur einen anderen glücklich machen kann, dann ist die ganze Welt glücklich – das ist doch ganz normal, oder?

Ingrid Meier